Als opulentes Doppelkonzert trat das diesjährige Concerto der Stadtkapelle Kirchheim in Erscheinung. Die erste Konzerthälfte in der Kircheimer Stadthalle gehörte ganz der Stadtmusik Stockach. Als Bindeglied zwischen den beiden renommierten Blasorchestern fungierte Rainer Mühlherr, Stadtkapellen-Vorstand mit Stockacher Wurzeln. Der Erlös dieses außergewöhnlichen Konzerts kam der Teckboten-Weihnachtsaktion zugute.
Mit „To Walk with Wings“ unternahmen die Stockacher Gäste unter dem Dirigat von Stadtmusikdirektor Helmut Hubov eine musikalische Zeitreise durch die bewegte Geschichte der Luftfahrt. Komponistin Julie Giroux versteht das menschliche Bestreben, die Lüfte zu erobern, als eine Form der Sinnsuche und legt ihrem Stück einen historischen Bogen zugrunde, der den unbeugsamen Pioniergeist archaischer Flugapparate ebenso würdigt, wie die Tragödien der modernen Raumfahrt. Anhand dieses außermusikalischen Programms entwickelt Giroux eine episodische Folge teils pathetischer Klangszenen, deren gestische Plastizität und atmosphärischer Gehalt sich nicht zuletzt den zahlreichen bravourösen Solostimmen verdankte.
Michael Daughertys einsätziges „Raise the Roof“ kann als geistreiche Anverwandlung diverser Einsprengsel aus Latin-Music und Rock ‘n‘ Roll beschrieben werden. Dieses Merkmal teilt das Stück jedoch mit unzähligen anderen. Unverwechselbar macht es sein solistischer Umgang mit den Pauken, die sich hier zu konzertanter Größe erheben dürfen. Mit dem Stockacher Paukenist Markus Schwab-Renz war in der Kirchheimer Stadthalle ein begnadeter Virtuose zu Gange, der sein Instrument in melodische Sphären zu führen und seinen Hörern gänzliche neue Klangerfahrungen zu bescheren wusste. Mit Oliver Waespis „Fanfare and Funk“, einer Hommage an den unvergesslichen Groove eines James Brown und die lange Tradition des Blues, beschloss die Stockacher Stadtmusik ihre großartige Konzerthälfte. Im Anschluss an solch eine Vorlage hätte es manches Orchester schwer, auf der Bühne eine überzeugende Figur zu machen. Musikalisch begegnen sich Stockach und Kirchheim jedoch auf Augenhöhe. Unter der Stabführung des Kirchheimer Stadtmusikdirektors Marc Lange eröffneten die „Festival Bells“ aus der Feder von Thomas Doss die zweite Hälfte des Abends. Die darin auskomponierte Vorfreude auf ein prickelndes Musikfestival umreißt die Bandbreite sinfonischer Blasmusik und stellt für jeden ambitionierten Klangkörper einen veritablen Prüfstein dar.
Dieser bemerkenswerte Crossover ist ohnehin bezeichnend für das Repertoire der sinfonischen Blasmusik, das mit seiner genreübergreifenden Offenheit für eine breite, auch junge, Hörerschicht anschlussfähig ist, ohne deshalb seinen Anspruch an eine artifizielle Ästhetik aufgeben zu müssen.
Mit der Stadtmusik Stockach und der Stadtkapelle Kirchheim kann die sinfonische Blasmusik fraglos auf zwei überzeugende Botschafterinnen bauen. Bei ihrem begeisterten Publikum bedankten sich beide Orchester mit einem gemeinsam gestalteten Zugabenteil.